Baltikum: Ja, das sind wohl die ehemaligen drei Sowjetstaaten Estland, Lettland und Litauen. Für mich sind alle drei völlig unbekanntes Terrain. Ok, alle drei sind Mitglieder der EU, soviel ist mir klar. Alle drei sind ziemlich platt, totales Kontrastprogramm zu Norwegen sozusagen. Trotzdem – oder gerade weil ich doch so neugierig bin – will ich mir im Mai zum Auftakt der Motorradreisesaison zumindest mal die beiden nördlicheren Länder anschauen. Litauen muss leider noch warten, denn zum einen habe ich nur sechs Tage Zeit, zum anderen bietet es sich an, mit der Fähre von Nynäshamn nach Ventspils zu fahren, dann über Land nach Tallin und von dort aus wieder zurück nach Stockholm. Wie immer buche ich die Nachtfähren, denn sollte es schaukeln, würde ich tagsüber schnell seekrank werden. Nachts kann ich zumindest versuchen zu schlafen.
Und so geht es dann am Donnerstagabend im strömenden Regen nach Nynäshamn – na das fängt ja schon gut an, denke ich mir, aber die Wetteraussichten sind für die kommende Woche richtig toll, das tröstet! Ich komme als einer der ersten auf die Fähre und so steht die KTM zunächst noch fast alleine im LKW Deck. Später wird es hier ganz schön voll. Überhaupt scheint diese Fähre hauptsächlich von LKW Fahrern genutzt zu werden. Die Kantine (ich nenn’s mal lieber nicht Restaurant…) versprüht noch einen gewissen spröden Ostblockcharme. Überhaupt nicht zu vergleichen mit den Finnlandfähren, wo man irgendwann vor dem Buffet kapituliert. Und im Fernsehen laufen die bekannten TV Shows, nur die Sprache ist mir unverständlich. Also geht’s beizeiten in’s Bett, denn das Unterhaltungsprogramm beschränkt sich offenbar auf’s Biertrinken, mit Sicherheit nicht alkoholfrei….
Ein bisschen wird das Ganze eine Fahrt in’s Blaue, ich will mich mal überraschen lassen. An älteren historischen Sehenswürdigkeiten sind beide Staaten nicht arm, vor allem natürlich die Städte Riga und Tallinn, beide auf der UNESCO Liste des Weltkulturerbes. Dann wären da aber noch äußerst spannende Hinterlassenschaften der Sowjetzeit! Bedingt durch die Nähe zu Mittel- und Nordeuropa gab es damals ein starke Militärpräsenz, zehntausende sowjetische Soldaten waren hier stationiert, vor allem aber wurden hier atomar bestückte Kurz- und Mittelstreckenraketen installiert! Die Sowjetunion hatte seit Anfang der 1950iger Jahre die Fähigkeit, Atomsprengköpfe per Rakete abzuschießen, die grundlegende Technik hierfür holte man sich ja nach dem zweiten Weltkrieg aus Deutschland. Bereits Ende der 1950iger Jahre konnte man ganz Europa erreichen und nicht viel später die gesamte Erdkugel in ein atomares Inferno verwandeln. Ausgangspunkt dafür war unter anderem das Baltikum.
Am Morgen kommt die Fähre pünktlich in Ventspils an. Häfen sehen eigentlich überall gleich aus, aber der hier hat etwas Besonders: Die Fähre fährt über einen Kilometer an einem riesigen Kohlenterminal entlang. Ob hier Kohle verladen oder entladen wird, ist mir dabei nicht ganz klar, aber alles ist mit schwarzem Staub bedeckt. Ich fahre noch kurz durch die Innenstadt, kaufe etwas zu Essen ein, halte an einer Bäckerei für ein zweites Frühstück, wo ich freundlich von einer alten Dame bedient werde und das erste Mal einsehe: Alle Waren sind hier mindestens Faktor 3 billiger – aber dafür sind mit Sicherheit auch die Löhne nicht mit unseren vergleichbar.
Mein erster richtiger Stop ist nach vielleicht 40 km nordöstlich von Ventspils angesagt: Hier gibt es eine früher topheimliche und mit Sicherheit strengstens bewachte Satellitenschüssel, die heute als Radioteleskop der Wissenschaft dient. Vor noch nicht allzu vielen Jahren hätte ich sofort in den Lauf mehrerer AK47 geschaut und wäre sofort als Spion verhaftet worden! Heute kommt man bis auf wenige Meter an die Schüssel heran, die hier so bizarr aus den Sandhügeln hervorschaut.
Was mich wirklich überrascht sind die Straßen: Die Hauptstraßen auf dem Land sind zwar asphaltiert, aber offenbar über Jahre nur geflickt. Dagegen hat mir der Blick auf die Landkarte schon verraten, dass es hier unendlich viele Kilometer Schotterstraßen aller Qualitätsklassen gibt. Die KTM 1050 wurde mittlerweile mit Continental TKC70 besohlt – ausreichend Profil für Schotterstraßen, aber auch gut zu fahren auf Asphalt; und dieser Kompromissreifen funktioniert hier wunderbar! Überhaupt Landkarten: Ich finde sie sind nach wie vor unerlässlich! Zwar fahre ich unterwegs ausschließlich nach GPS, aber zur Routenvorplanung zu Hause sind einfach Papierkarten das Beste. Außerdem entdeckt man hier Sachen, an denen man andernfalls vorbeifahren würde, zum Beispiel eine der größten Eichen des Landes. Ich fahre mal ganz dreist bis zum Baum, werde dann aber vom Grundstückseigentümer darauf hingewiesen, daß er keine Fahrzeuge auf den 100m Fußpfad haben möchte, offenbar weil er den Weg nicht zerstört haben möchte. Verständlich, aber es ist trocken und ich rolle ja nur ganz vorsichtig. Ok, er hat ja recht, ich hätte besser nicht…
Wie nicht anders erwartet, ist das Land ziemlich platt, vor allem aber fällt mir auf, dass, verglichen mit Mitteleuropa, so gut wie kein Verkehr existiert. Ein paarmal meint Herr Garmin, mich auf kleinste Schotterstraßen führen zu müssen, oder sagen wir mal lieber Traktorwege. Nein, mein Bauchgefühl sagt mir: Bleibe ich hier mit ’nem Platten liegen oder geht sonstwas schief, findet mich hier so schnell keiner mehr! Also bleibe ich auf den etwas größeren Wegen.
Wie immer möchte ich gerne Zelten. Im Hotel schlafe ich außerdem oft genug auf Dienstreisen. Zwar sind auch die Hotelpreise hier durchaus niedriger als in Schweden, aber noch billiger als mit dem Zelt kann man einfach nicht übernachten: Ich hatte mir schon zu Hause auf einer Webseite über lettische und estnische Campingplätze meine Nachtquartiere ausgesucht. Heute, am ersten Abend, lande ich auf eine Bauernhof. Der Landwirt – der Hof ist noch voll bewirtschaftet – hat hinter Wohnhaus und Maschinenhalle eine riesige Fläche in einen Camping- und Spielplatz umgewandelt, einschließlich Küchen- und Sanitärhaus. Super gemacht und spottbillig: 5 Euro zahle ich pro Nacht! Hier will ich zwei Nächte bleiben, damit ich mir morgen ohne Gepäck die Innenstadt von Riga anschauen kann.
Riga ist irgendwie anders als ich es mir vorgestellt hatte, nicht so mittelalterlich als ich dachte. Durchaus schön, ganz klar, aber anders. Tallinn, das ich in ein paar Tagen besuchen werde, kenne ich schon von einer vorherigen Reise übers Wochenende – und diese Stadt ist ja richtig mittelalterlich. Riga gefällt mir trotzdem, ich gehe lange durch die Stadt, schaue mir die Leute an und fahre mit dem Fahrstuhl (!) auf einen Kirchturm, wo man die beste Aussicht auf die Innenstadt hat.
Zum Abschluss der Rigabesichtigung fahre ich noch zum Fernsehturm, einer gigantischen Konstruktion von fast 400m Höhe. Die Aussichtsplattform liegt immerhin fast auf halber Höhe.
Am Abend gibt’s dann Kontrastprogramm: Ich will zu einer der ehemaligen sowjetischen Atomraketenbasen, die über’s ganze Baltikum verstreut lagen. Die GPS-Koordinaten fand ich im Internet und auf dem Luftbild waren deutlich vier Raketensilos zu sehen. Zunächst lasse ich mich noch von dem Verbotsschild am Zufahrtsweg abschrecken. Als ich mir dann per Handy die Übersetzung hole ist klar, dass das so frisch aussehende Schild, das vor einer Militäranlage warnt, wohl nicht mehr ganz aktuell ist. Dann aber kommt die negative Überraschung: Das Gelände ist vollständig absperrt, Baucontainer sind zu sehen und ein Bagger ist gerade dabei, die unterirdischen Anlagen freizulegen! Offenbar wird hier gerade abgerissen! Als ich am Bauzaun stehe kommt der Vorarbeiter, der leider kaum Englisch spricht, lässt mich aber trotzdem rein und ich darf aus nächster Nähe einen Blick in die Grube werden. Schade, hier verschwindet gerade ein Stück Geschichte…
Immerhin gibt es von diesem Typ Bunker noch mehrere im Lande. Erschreckend, in jedem standen vier Raketen, womöglich mit mehreren Sprengköpfen und die zielten alle auf Westeuropa.
Weiter geht’s zum nächsten Raketenbunker. Aber hier haben die Bagger bereits ganze Arbeit geleistet. Schaut man sich Luftbilder auf verschiendenen Internetplatformen an, sind auf einigen die vier Deckel der Raketensilos noch deutlich zu sehen, auf anderen nicht. Der Größe der Bäumchen nach, die hier wachsen, wurde die Anlage vor längstens zwei oder drei Jahren platt gemacht. Ein paar Betonbrocken liegen noch herum. Enttäuscht fahre ich weiter.
Einen Tag später ganz in der Nähe von Ligante. Ich besuche eine „Rehaklinik“ für Sportler. So zumindest wurde die Anlage zu Sowjetzeiten bezeichnet.
Aber was ist das denn? Ein merkwürdiger Metallpilz steht hier zwischen den Büschen!
Und der kleine Fussballplatz ist kreisrund, fast wie ein Hubschrauberlandeplatz?
Ja, das wirklich Interessante verbirgt sich unter dem Rasen und der Rehaklinik, nämlich ein komplett erhaltener Kommandobunker inklusive aller technischen Einrichtungen! Hier die Kommunikationszentrale mit damals hochmoderner Technik.
Und natürlich darf auch Herr Lenin nicht fehlen, der hat einen Ehrenplatz im holzvertäfelten Stabssaal.
Und ein junger Genosse Brezjnev!
Wie bei Bunkern üblich ist die gesamte Anlage hermetisch verschließbar und sollte wohl auch einem Atombombenangriff standhalten. Dicke gewölbte und damit druckfeste Türen werden mit massiven Knebeln verschlossen. Rein geht’s nur durch eine Schleuse, und wenn notwendig, dann durch eine Dekontaminationsdusche.
Aber auch fürs leibliche Wohl der Besucher wird gesorgt, so wie damals für die Mannschaft. Die Küche ist in Betrieb und uns Besuchern werden Manti, eine Art russischer Tortellini, und herrlich künstlicher roter „Saft“ gereicht. Schmeckt aber sogar recht gut, eine nette Zwischenmahlzeit, die man sich nicht entgehen lässt. Trotzdem bin ich dann froh, als ich wieder draußen bin. Hier möchte ich nicht eingeschlossen sein, wohlwissend, dass draußen gerade die Welt untergeht – Armageddon lässt grüßen.
Ich fahre an diesem Tag noch weiter bis Aluskne. Und dieser Tag wird richtig spannend. Bis jetzt hab ich ja noch nicht wirklich ausprobiert, wieviele Kilometer sich aus einer Tankfüllung der KTM 1050 rausquetschen lassen. Im netten Örtchen Cecis schaue ich mir nur kurz von außen die Burg an, fahre dann weiter und komme überhaupt nicht auf die Idee nachzusehen, wo denn die nächste Tanke ist. Viele Kilometer geht’s über einsame Landstraßen durch ein paar kleine Dörfer. Der Kilometerzähler steht jetzt schon jenseits der 300. Buchstäblich mit dem letzten Tropfen – oder kann man auch mit Benzindämpfen fahren? – komme ich in Aluskne an. Ich fahre die erste Tankstelle am Ortsrand an, wobei ich mir sicher war, daß der Sprit bis hierher nicht reichen würde. Ich malte mir schon aus, wie ich zur nächsten Tanke trampen müsste. 19,8 Liter passen in den Tank – offiziell hat der 20! Na da wäre ja noch was gegangen…! 🙂
Dann endlich am nächsten Tag: Etwa 50 km von Aluskne liegt im Wald versteckt noch so eine Dvina-Raketensiloanlage. Die Anlage ist in Luftbildern noch gut zu sehen. Die Bauart war offenbar standardisiert für die R-12 Rakete (genannt Dvina) – der gleiche Typ, den die Sowjetunion 1963 auf Kuba stationierte und damit fast den dritten Weltkrieg auslöste. Die Anlage bestand immer aus einem zentralen zweistöckigen Kommando- und Technikbunker und daran angeschlossen vier Raketensilos. Gebaut wurden sie in den frühen 1960iger Jahren und wurde erst in der späten 70iger stillgelegt.
Und diesmal traue ich meinen Augen nicht: Es ist wirklich alles noch gut erhalten! Zunächst fallen die vier gewölbten Deckel über den Silos auf. Als Ingenieur bin ich natürlich an der Technik dieser Anlage interessiert, aber leider haben die Russen beim Abzug wirklich jedes Stückchen Metall mitgenommen, oder es wurde später von Schrotthändlern demontiert. Alle hervorstehenden und zugänglichen Metallteile wurden mit Schneidbrennern abgetrennt. Trotzdem ist klar: Diese viele Tonnen schweren Betondeckel ruhten auf Rollen und konnten mit einem Seilzugmechanismus zur Seite gezogen werden. Außerdem sind noch Lüftungsöffnungen und Wartungsluken zu sehen. Das Ganze war natürlich auch bombensicher ausgelegt.
Um auch die Tanks für den Raketentreibstoff abbauen zu können – die Raketen wurden aus Sicherheitsgründen erst kurz vor dem Start betankt – brach man eine Wand aus dem Zentralbunker heraus. Somit sind beide Stockwerke frei zugänglich, einerseits über das Loch in der Wand, das Obergeschoss dagegen über den regulären Eingang. Die Treppe fehlt, hier klafft ein gefährlich großes Loch im Boden. Eine gute Taschenlampe hatte ich wohlweislich eingepackt.
Hier einer der Silodeckel, mittlerweile ziemlich zerbröselt und von Moos überwachsen – es fehlen alle mechanischen Teile.
Hier der Blick in das Silo, von außen durch eine Wartungsluke. Offenbar gab es oben einen Metalldeckel, auch der wurde entfernt und mitgenommen!
Ein weiterer Silodeckel, im Vordergrund Ventilationsöffnungen.
Hier mal ein schöner Größenvergleich!
Auf diesen Betonfundamenten ruhte der Treibstofftank. Durch das Loch in der freigelegten Außenwand ist das untere Stockwerk zugänglich. Dahinten links durch das schwarze Loch…!
Sehr vorsichtig dringe ich ins Innere der Anlage vor. Ich achte auf jeden Schritt, ich will ja nicht in irgendwelche Nägel oder Löcher treten. Die Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, wenn man aus dem hellen Sonnenschein in die Dunkelheit kommt
– trotz meiner starken LED Taschenlampe.
Vom Zentralbunker gehen kreuzförmig vier stockdunkle Korridore ab, an deren Wänden noch die Halterungen von Kabeln und Leitungen zu sehen sind, ca 20, 30 m weit zu den vier Raketensilos.
Und hier ist es: Eines der Rakentsilos. Durch eine Öffnung in der Außenwand kann ich hinein- und hinunterschauen. Alle Metallteile sind auch hier entfernt, aber selbst wenn es eine Leiter oder Plattform gäbe, wäre ich nicht so dumm, darauf zu steigen. Grundwasser und Regenwasser hat das Silo viele Meter hoch aufgefüllt. Alles was hier hineinfällt – Tiere eingeschlossen- haben keine Chance jemals zu entkommen und ertrinken elendig. Die perfekte Leichenentsorgung für die lokale Maffia, denke ich mir… Immerhin sind die Silos um die fast 30m tief.
Hier nochmal ein Blick auf das Loch oben im Silodeckel. Kein Geländer, kein Gitter sichert gegen einen freien Fall in’s Silo, das tief in den Boden eingelassen ist. Durch diese Öffnung wurde der nukleare Sprengkopf installiert, nachdem die Rakete bei zur Seite gezogenem Deckel in das Silo abgelassen worden war.
Nachdem ich gut eine Stunde in und an der Anlage zugebracht habe, ist meine morbide Neugier befriedigt. Verrückt, wie man von solch einer Anlage fasziniert und gleichzeitig geängstigt sein kann, wenn man sich klar darüber ist, dass jeder der hier vorgehaltenen Raketen zehntausende Menschen töten konnte – mit einer Vorwarnzeit von weniger als fünf Minuten für Mitteleuropa. Gerade in diesen Tagen, als ich an diesem Bericht schreibe, ist in den Medien die Rede von der zunehmenden (auch nuklearen) Aufrüstung des Ostseeraums die Rede. Wieso können wir Menschen nicht einfach miteinander auskommen und lieb zueinander sein?
Eine baugleiche Anlage in Litauen ist heute für die Öffentlichkeit zugänglich – Gänsehaut bekomme ich aber erst richtig in solchen halb verfallenen Anlagen!
http://www.zemaitijosnp.lt/en/the-cold-war-exposition/
In den Wälder des Baltikums verstecken sich noch viele andere Anlagen mit militärhistorischer Vergangenheit. Hier mal eine mittlerweile vom Wald übernommende sowjetische Kaserne.
Und diese Betonplatte war nicht einfach ein Parkplatz. Hier konnten mobile Abschussrampen aufgestellt werden.
Am Abend zelte ich dann als einziger (!!!) Gast auf dem Campingplatz in Aluksne, ein wunderschöner Platz direkt an einem See. Eigentlich ist der Platz noch geschlossen, die Klohäuschen sind tatsächlich zu, aber dann muss halt der Wald herhalten. Immerhin ist kein anderer Gast da, der mich sehen könnte. Und Wasser gibt’s am Wasserhahn. Schade nur, dass ich vielleicht zwei, drei Wochen zu früh dran bin, denn so richtig grün ist es hier noch nicht.
Nachfolgend einige Bilder entlang meiner Reiseroute. Wie gesagt leider noch etwas zu früh im Jahr, die Bäume hatten noch nicht ausgeschlagen.
Und ich kann wirklich von mir behaupten: Ich habe den höchsten Berg bestiegen, den Suur Munamägi mit immerhin 318 m Höhe – und einem 29 m hohen Aussichtsturm. Ok, hätte unten nicht ein „Durchfahrt verboten“-Schild gestanden, wäre ich bis ganz oben rauf gefahren. Trotz der geringen Höhe: Die Aussicht ist wirklich schön!
Irgendwo in irgend einer estnischen Kleinstadt…
Brunnen in Tartu, eine schöne Universitätsstadt! Hier genieße ich es, auf dem Marktplatz in einem Straßencafé zu essen, einen Kaffee zu trinken und mir einfach mal anzuschauen, wer da so alles an mir vorbeiläuft.
Blick über den See Peipsi Järv nach Osten: Da hinten ist Russland, am anderen Ufer!
Ein Dorf direkt am Ufer des Sees Peipsi Järv.
Dies ist ein UNESOC Weltkulturerbe! Die unscheinbare Steinsäule gehört zum Struve Geodätischen Bogen. Mitte des 19ten Jahrhunderts installierte man eine genau vermessene Kette solcher Markierungen von Nordnorwegen bis Moldavien, mit deren Hilfe die genaue Form der Erde bestimmt werden sollte. Nur noch wenige dieser Messpunkte sind erhalten, ein paar wenige in den baltischen Staaten.
Das Baltikum ist ja nun leider generell recht platt. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch hier einiges an schöner Natur zu sehen gäbe. Vor allem ist das Land viel dünner besiedelt als in Mitteleuropa. Meinen nächsten Besuch werde ich allerdings später im Jahr unternehmen.
Verrückter Vogel: Er betrachtete mich wohl als Eindringling in sein Revier, irgendwo in den Ruinen einer russischen Kaserne! Der war näher, als meine Kamera fokussieren konnte!
An der Nordküste Estlands, einige Kilometer östlich der Hauptstadt Tallinn gibt es mitten im Nationalpark Lahemaa noch ein einmaliges Relikt aus Zeiten des kalten Krieges zu sehen: Eine sowjetische U-Boot-Basis! Das Besondere hier ist: Es handelt sich nicht einfach nur um einen Hafen, sondern in dieser Anlage sollten U-Boote entmagnetisiert werden. Offenbar kann die Metallhülle von Schiffen durch das Erdmagnetfeld magnetisiert werden und ist dann leicht für gegnerische Sensoren und Minen leicht zu entdecken. Hier wurden die Boote einem starken wechselnden Magnetfeld ausgesetzt und damit demagnetisiert. Mehr dazu in Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Degaussing
Die Anlage besteht aus einem hunderte Meter langen Anleger, einer Maschinenhalle und weiteren Gebäuden. Kaum zu glauben, dass hier einstmals sowjetische U-Boote vertäut lagen, wo ich heute unbekümmert herumstreunen (und Geocaches suchen) kann. Allerdings muss man auch hier behutsam und vorsichtig unterwegs sein, an einigen Stellen klaffen tiefe Löcher im Beton und unten wartet die kalte Ostsee!
Meinen letzten Tag will ich in Tallinn mit einer Stadtbesichtigung verbringen. Vorher fahre ich noch weiter nach Westen zum Hafenstädtchen Paldiski. Ursprünglich wurde das Kaff von Schweden gegründet, war dann aber ein wichtiger russischer Marinehafen. Und auch heute noch sieht’s hier richtig nach Ostblock aus. Allerdings gibt’s auch eine positive Überraschung: Nördlich der Stadt ist ein Leuchtturm für 5 Euro für Besucher zugänglich, also muss ich da mal rauf und die Aussicht geniessen.
Den letzten meiner sechs Tage im Baltikum verbringe ich dann in Tallinn, ohne Zweifel die schönste Stadt im Baltikum. Die alte Stadtmauer umschließt heute noch das Zentrum fast vollständig. Die Hauptstraßen sind wunderschön renoviert, biegt man aber in die kleinen Seitengassen, ab kann man dort noch einige halb verfallene Häuser sehen. Nirgendwo anders zelebriert man das mittelalterliche Stadtimage so sehr wie in Tallinn. Überall im Zentrum laden schöne junge Frauen in mittelalterlichen Gewändern Tausende von Touristen zu einer schmackhaften Mahlzeit in DAS beste Restaurant Tallinns ein. Na gut, ich kann ihrem Charme nicht widerstehen und deshalb gibt’s mittags gegrillten Lachs. Keine Ahnung, wie mittelalterlich das Rezept wirklich ist, aber es schmeckt gut. Und „sie“ war charmant.
Am Abend hole ich dann die KTM aus der Tiefgarage des Hotels im Hafen, wo ich sie dankenswerterweise den Tag über parken durfte und lasse mich von der Nachtfähre wieder nach Stockholm bringen. Schade, zwei Dinge hätte ich gerne geändert: Der Besuch wäre ein paar Wochen später schöner gewesen, wenn die Natur frisch grün ist. Gut, immerhin hatte ich Glück mit dem Wetter Anfang Mai. Und ich hätte gerne noch ein Paar Tage mehr Zeit gehabt, um mir vielleicht auch Litauen anschauen zu können. Aber dann hätte ich ja das Wochenende mit dem BMW Klub in Snöå Bruk verpasst, wo wir jedes Jahr drei Tage lang fast 100% Schotterstraßen fahren…
Ich muss wohl noch mal wiederkommen!
Auch Svenja „Svendura“ ware dieses Jahr im Baltikum, wer ihren sehr schönen und sehr ausführlichen Reisebericht lessen möchte, schaut hier: