Ich bin dann mal weg…

…nur mal so über’s Wochenende!

Wie ich schon anderweitig schrieb: von nur einer grossen Malzeit am Tag kann keiner so richtig gut leben. Genauso ist es auch mit dem Motorradtouren! Nur der Jahresurlaub? Ne, das reicht nicht, ich bin gerne so oft wie möglich auch einfach nur mal übers Wochenende weg. So war es auch diesmal.

Vor einem halben Jahr habe ich Kent-Olov aus Gagnef in Dalarna meine Giant Loop Great Basin Tasche verkauft. Jetzt hat der seine BMW F800GS gegen eine KTM 990 Adventure mit gerade mal 9000km getauscht. Und welch ein Zufall: ich hab für die Adv noch einen niedrigere Scheibe zuhause liegen. Wollte ich die verkaufen, müsste ich erst mal zwei Stunden lang die Aufkleber abknibbeln. Also bekommt Kent-Olov das Ding für umsonst und ich hab einen guten Grund übers Wochenende nach Dalarna zu fahren.

Freitag am späten Nachmittag gehts los, diesmal mit der CCM450, denn ich will so viele km Schotterwege wie möchlich fahren. Mein Ziel für den Abend ist meine Lieblings-Zeltstelle am Malingsbo-See. Vor ein Paar Jahren hatte ich mich dort mal mit einem motorradfahrenden Internet-Bekannten verabredet, der aber nicht auftauchte. Am nächsten Morgen kam raus: er war auf der anderen Seeseite auf einem Campingplatz. Wozu das denn, wenn man hier so herrliche umsonst zelten kann? Ich hatte immer „OSTSTEITE“ gesagt, aber der fuhr ja auch mit einer Karte, bei der ganz Schweden auf einem A2 Blatt abgedeckt ist. Kein Wunder, daß man damit die netten kleinen Nebenstrassen die ich so liebe und solche herrlichen Plätzchen nicht findet! Diesmal fahre ich nicht nur ein leichtes Motorrad, ich hab auch wirklich meine Ausrüstung minimiert: die beiden Wolfman-Taschen an den Seiten und das neue MSR Hubba NX Einmannzelt (1.3kg!) oben drauf. Plus Tankrucksack für Werkzeug und Kleinkram. Aber trotzdem immerhin noch ein Paar Schuhe!

Am Samstag soll es dann auf indirektem Weg nach Gagnef gehen. Irgendwann am Nachmittag will ich dort sein, vielleicht zum Kaffee. Den Asphalt vermeide ich erfolgreich zum grössten Teil an diesem Tag. Meinen ersten Stop lege ich nach wenigen Kilometern bei Tombos Eisgrube ein – dieses alte Bergwerk heißt so, weil sich im Winter auf dem Wasser des vollgelaufenen schärgen Schachtes Eis bildet, das oftmals bis inden Sommer hält. Und wirklich, eine dünne Eissicht ist noch immer vorhanden.

Ich habe mir ausserdem einige neue Geocaches in’s GPS gelegt, die ich anfahren möchte. Eines davon liegt an einer merkwürdigen Laune der Geologie: Hins Kärrspår (GC3N00R) liegt neben zwei parallelen Rinnen im Fels, die Ausschauen wie Wagenspuren. Der Teufel selbst muss hier vorbeigekommen sein, was sich auch an dem merkwürdig wachsenden Baum direkt südlich zeigt, dessen zwei Spitzen erst abgenickt und dann rechtwenklig nach oben gewachsen sind. Herrlich, solche Plätzchen die es in Volkssagen geschafft haben! Nur das Geocache finde ich leider nicht.

Ein weiterer interessanter Stop wird bei Stolbergs Gruben eingelegt. Bereits im Mittelalter wurde hier Silber geschürft, später buddelte man immer tiefer auf der Suche nach Eisenerz, wie an so vielen Stellen in dieser Gegend, die deshalb auch Bergslagen (Bergbaugegend) heißt. Genau genommen wurde hier die Grundlage gelegt für die spätere Industrialisierung Schwedens und die quasi blitzartige Verwandlung von einem armen Agrarstaat in eine Industrie-Wohlstandsgesellschaft. Die drei Abbaulöcher hier in Stolbergs Gruva sind beachtlich: da der Zaun sowieso am Boden liegt, wage ich mich bis an die Kante vor und kann so in die Grube blicken. Tief unter mir Wasser. Ich werfe einen grossen Stein und kann bis Sieben zählen, bevor der unten mit imposantem Echo aufschlägt!

 

Auf dem Weg nach Gagnef variiere ich die zu Hause geplante Route mehrmals. Kurz hinter Stolbergs Gruva zweige ich auf einen anderen Waldweg ab als geplant. Laut Topo Schweden soll der nach einigen Kilometern in einen kleineren Weg übergehen, um dann wieder auf meine Route zu treffen. Ok, nach einem Wendeplatz gehts als kleiner Stieg im Wald weiter. Mit einem Quad könnte man hier noch fahren. Dann über eine Holzbrücke, ok, die hält. Oh je, aber jetzt gehts recht gut bergauf, der „Weg“ am Boden besteht aus Steinen von der Grösse zweier Fäuste bis Fussbällen. Hier hätte ich keine Chance mit der Africa Twin, ich wäre schon am Wendeplatz nicht weiter gefahren. Mit der leichten 450iger kämpfe ich mich aber mit viel Kupplungseinsatz und Gas – nur nicht den Schwung verlieren! – die Steigung hoch, durch den Wald und komme nach ein Paar Hundert Metern wieder auf einen richtigen Fahrweg. Yiiihaaa, das war Klasse! Nur Foto gibts keines, dafür hatte ich zu viel mit Fahren zu tun!

Pünktlich zum Kaffee bin ich dann bei einem hocherfreuten Kent-Olof, der mir stolz seine blitzeblanke tiefblaue/organge 990 Adv zeigt, die letzte Serie mit ABS UND 115PS Motor. Auch er teilt meine Erfahrung: steigt man von der F800GS auf die 990 um merkt man dass deren Federung um Welten besser ist. Mir kam es damals so vor als wäre ich schneller aber trotzdem sicherer unterwegs! Kent-Olov gibt mir ausserdem einen Tip für eine nette Übernachtungsstelle direkt am Sandstrand, aber als ich dann dort hin komme wimmelt es nur so von Urlaubern. Und irgend jemand hat ein Zelt vom Ausmaß eines Reisebusses aufgestellt – zumindest kommt mir das so vor im Vergleich zu meinem kleinen leichten Einmann-Zelt. Ne Danke, dann fahre ich halt doch weiter wie ursprünglich geplant zum Aussichtsturm auf dem Berg Mejdåsen, den ich bereits im Winter nach dem letzten Besuch in Gagnef erwanderte. Diesmal gehts mit der CCM problemlos bis rauf zum Turm. Auch nett: die Überquerung des Västerdalälven bei Dala Floda über dies Holzbrücke, die Kyrkälvsbron.

 

Ich bin an dem Abend der einzige Besucher. Ich hatte noch überlegt, in der Turmstube im Erdgeschoss zu übernachten. Da aber irgend ein Depp ein Fenster weiter oben offen gelassen hat, haben Tauben die dritte Etage vollgeschissen. Der Taubenkot rieselt dann sicher durch den ganzen Turm und den möchte ich nicht über Nacht einatmen. Nein, ich zelte draussen, mache ein nettes kleines Lagerfeuer, grille Stockbrot und trinke ein Bier. Noch zweimal steige ich an dem Abend auf den Turm, einmal zum Sonnenuntergang und dann nochmal vor dem Schlafengehen. Aber Dunkel wird es auch jetzt Ende Juli hier nicht, imposanter Sternenhimmel fällt also aus.

Am Sonntag gehts dann wieder heimwärts. Zu Hause hatte ich die Route wieder grösstenteils über Waldwege geplant, zumindest bis Mittag. Am Nachmittag gibts dann mehr Asphalt, damit ich zu vernünftigen Zeiten nach Hause komme. Von Malingbo bis zum Turm bin ich am Samstag 250km gefahren, Abfahrt um 8:30, Ankunft um 19:00 mit gut 3 Stunden Pause bei Kent Olov, bei Stolbergs Gruva und im Supermarkt! Kein toller Schnitt, aber das zeigt welch herrlich kleine Wege man hier in Schweden finden kann! Am Sonntag möchte ich aber gerne am späten Nachmittag zu Hause sein, also muss das letzte Stück auf schnelleren Strassen gefahren werden.

Aber erst mache ich einen Stop bei einem weitern Aussichtsturm. Ca 15km südlich des Mejdåsen liegt der kleine Weiler Flen oben auf einem Berg und dort gibt es einen sehr ähnlichen hölzernen Aussichtsturm. Der steht jetzt fast mitten auf einem Kahlschlag. Dementsprechend bombastisch ist die Aussicht: ich sehe auf 360Grad ein einziges Haus ziemlich weit weg, sonst nur Wald! Nachts könnte man vielleicht noch den einen oder anderen Lichtschein sehen, aber jetzt bekommt man den Eindruck hier wäre keinerlei Zivilisation! Und hätten die das Klohäusschen um 180 gedreht aufgestellt, hätte man die tollste Aussicht beim Sch….en! 🙂

Kurz danach dann geht es über eine hölzerne Brücke, deren Deckbretter schon teilweise fehlen. Der Unterbau ist aber aus Stahlträgern und die frischen Reifenspuren verraten, dass auch nicht alle Autofahrer das „Durchfahrt verboten“ Schild ernst nehmen. So ein bisschen erinnern mich solche Brücken immer an Reiseberichte aus dem hintersten Sibirien!

 

Schliesslich komme ich endlich am Nachmittag in Smedjebacken an. Ich hab noch nichts zu Mittag gegessen, also beschliesse ich: aller guten Dinge sind drei! Ich fahre einen Waldweg neben der Skianlage von Smedjebacken hoch, denn hier oben steht ebenfalls ein Turm. Während die beiden vorherigen vollständig aus Holz in den 1940iger Jahren gebaut wurden, ist der hier eine moderne (und langweilige) Stahlkonstruktion. Leider lassen sich die Fenster oben nicht öffnen. Das Innere ist reichlich mit Grafitti und Tags „verziert“. Offenbar finden hier öfters mal Jugendparties statt. Wie schön ist da doch im Vergleich der Turm bei Flen erhalten, der ausserdem sauber, gut unterhalten und müllfrei etwas abseits der grösseren Orte liegt.

Demnächst wird es hier auch eine eigene Seite zu Aussichtstürmen geben. Mir fehlen noch ein, zwei Exemplare in meiner Sammlung aber sobald ich auch diese besucht habe könnt ihr euch hier Tips und Bewertungen zu Schwedens besten Aussichten abholen!

Wie geplant bin dann am Nachmittag gegen 17:00 zu Hause. 750km wurden es diesmal, wahrscheinlich nur so um die 100km, vielleicht 150km auf Asphalt! Die CCM lief problemlos, nur einmal beim Starten auf der „Sibirienbrücke“ muckte sie einmal ein bisschen komisch rum. Das Konzept ist wirklich Klasse und das Bike ermöglicht es mir Wege zu fahren, die ich mit der schweren AT unmöglich bewältigen würde. So gut sind meine Fahrfertigkeiten nicht. Ich hoffe sie zeigt in Zukunft keine weitern Zuverlässigkeitsprobleme, dann werden wir noch einige Jahre viel Spass miteinander haben!